Serhij Zhadan

Depeche Mode


Gekürzte Lesung
Gesprochen von Harry Rowohlt
Ca. 210 Minuten
Random House Audio
Produktion: Schall & Wahn
3 CDs; 978-3-86604-945-1; Euro 19,95


Inhalt:

Charkiw 1993. Der Sozialismus ist vorbei – der Manchesterkapitalismus beginnt: Amerikanische Erweckungsprediger treten auf, prügelnde Polizeibeamte, besoffene Wodka-Schmuggler, durchgeknallte Kleinkriminelle. Und mittendrin: vier Freunde - Dog Pawlow, Wasja Kommunist, der Ich-Erzähler Zhadan und Sascha Zündkerze, der im Pionierlager „Chemiker“ als Betreuer arbeitet…


Kritik:

Die Geschichte handelt von vier jungen Leute im postsowjetischen Zeitalter in Charkiw 1993. Überraschung: Dinge von Relevanz geschehen hier nicht, und doch fesselt die Story um die Freunde Dog Pawlow, Wasja Kommunist, Zhadan, den Ich-Erzähler und Sascha Zündkerze. Dieser (Sascha) wird von seiner Familie gesucht - wegen einer Beerdigung. Und die verbleibenden drei Freunde machen sich auf den beschwerlichen und mit vielerlei Hindernissen versehenen Weg, Sascha rechtzeitig nach Hause zu bringen.

Skurrile Situationen wechseln sich mit Vollsuffszenen und schrägen Begebenheiten ab, die den Jungs in der ukrainischen Stadt Charkiw und Umgebung passieren. Da geht es um einen amerikanischen Wanderprediger, der seine christliche Botschaft verkündet, die wiederum von der Simultandolmetscherin äußerst fragwürdig übersetzt wird (eine der besten Szenen des Buchs), es geht um die legendäre Radiosendung, in der die Entstehungsgeschichte der Gruppe Depeche Mode zu Gehör gebracht wird (die allenfalls eine kleine Nebengeschichte des Romans darstellt und verwirrenderweise den Titel des Buchs liefert), man hört von einem Barden namens Stepan Halljabarda (ebenso unwichtig!), es geht um Bauanleitungen für Molotow-Cocktails und schwulenfeindliche Sprüche und auch um die "Theorie des permanenten Piep-Schnurzismus", um welche die zwischen Joints und Alkoholdröhnung geführten politischen Diskussionen kreisen.

Die Freunde dösen also durch die Tage und gleichfalls Löcher in die postsozialistische Luft, die vom politischen Umbruch durchsetzt ist - und Harry Rowohlt erzählt das alles so trocken und lakonisch-minimalistisch, wie es eben seine Art ist - und wie man ihn als Erzähler kennt und schätzt. Das alles klingt reichlich seltsam, ist es auch, macht aber trotzdem - oder gerade deswegen - eine gehörige Portion Spaß.


Fazit:

Junge Kultliteratur aus der Ukraine: schräg, versoffen und anarchisch - eine Spielwiese für Erzähler Harry Rowohlt


Weitere Infos und Hörprobe: http://www.random-house-audio.de