Stephan Thome Gott der Barbaren Ungekürzt gelesen von Johannes
Steck, Griot Hörbuchverlag |
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Kritik: Stephan Thome hat mit "Gott der Barbaren" einen historischen Roman über die "Missionierung" Chinas im 19. Jahrhundert geschrieben - und gleichzeitig auch viel mehr. Es ist ein lebendiges Zeitporträt geworden, dass sich vor allem ein nach wie vor sehr aktuelles Thema anspricht: den Zusammenprall von Zivilisationen. Wie ein Teppich breitet der Autor das bunte und schillernde Leben im fernen China Mitte des 19. Jahrhunderts vor dem Hörer aus - und schnell gerät man in den Sog der fessenden Geschichte, die es sogar bis auf die Shortlist des diesjährigen Deutschen Buchpreises geschafft hat. Zurecht, wie ich finde. Thome erzählt nicht nur eine packende Geschichte aus fernen Ländern, einen Abenteuer- und Missionars-Roman, in dem neben fußverkrüppelten Chinesinnen auch abgehackte Hände und Ohren, Opium, chinesische Weisheiten, sture Engländer und viele Gefahren auf seine Figuren lauern, nein, "Gott der Barbaren" könnte auch aktueller nicht sein. Denn inmitten des chinesischen Reichs errichten Rebellen, angeführt von einem christlichen Konvertiten, der sich für Gottes zweiten Sohn hält, einen Gottesstaat, der wie ein Abziehbild der fanatisch-religiösen Terrorbewegungen unserer Zeit wirkt. Es ist die Taiping-Rebellion, um die sich Thomes Werk rankt, jener Aufstand einer "christlichen" Bewegung, an deren Spitze der selbst ernannte Sohn Gottes die Bibel nach seiner Façon umschrieb und blutigen Tod und Terror über das kaiserliche Reich der Mitte brachte. Mitten drin im Geschehen: der junge Philipp Johann Neukamp, Sohn eines Zimmermeisters aus dem Märkischen, der als Mitarbeiter der Basler Missionsgesellschaft nach China aufbricht und sich dort mit wenigen Sprachkenntnissen (immerhin ist er einer der wenigen Westler, die überhaupt die Sprache erlernen) auf Land und Leute einlässt. Philipp trifft vor Ort vor allem auf andere Missionare und einige Engländer, die gekommen sind, um Handel zu treiben - und die mit ihrer überheblichen Art auf große Hindernisse stoßen. Die Engländer, die vor allem ihren eigenen Profit im Blick haben, bringen China die Opiumkriege, und schnell wird klar, warum es nicht so recht klappen will mit der Kommunikation. Man redet schlechthin aneinander vorbei, denn es hapert beiderseits an Verständnis. Die Kluft zwischen den Kulturen ist immens, und die Sprachbarriere verhindert jegliche Annäherung. Für die Chinesen sind die Europäer schlichtweg Barbaren, für die Engländer sind die Chinesen dasselbe. Beide Seiten halten sich für die zivilisiertere Kultur. Wie Thome diese Konflikte mit
Leben füllt, das ist hohe Unterhaltungskunst mit enorm viel Mehrwert. Als Hörer der Lesung wird man sanft hineingeworfen in die Handlung, die mit mehreren Hauptcharakteren ausgestattet, in mehreren Handlungssträngen von Johannes Steck hervorragend vorgetragen wird. Steck schafft es sogar, die meisten chinesischen Begriffe (von denen es doch ein paar gibt) gut zu artikulieren. Respekt dafür. Man hat sich bis ins Detail um Authentizität bemüht. Dazu gesellt sich die stimmungsvolle Musik von Julian Heidenreich, der klassische fernöstliche Klänge mit modernen Sounds und Melodien mixt. Vor allem die Stellen mit der Guzheng, einer Art Zither, die bereits im fünften Jahrhundert vor Christus erfunden wurde, sind sehr atmosphärisch und dienen der Abtrennung der einzelnen Handlungsstränge. Begleitet
wird das Hörbuch von einem wunderschönen, sehr liebevoll aufgemachten
32-seitigen, vierfarbigen Booklet, in dem man gerne blättert. Fotos,
ein langer Bericht des Autors, Landkarten, ein Personenregister, die
Chronologie der Taiping-Rebellion und des Zweiten Opiumkrieges, eine
Kapitelübersicht des Romans, das alles findet sich hier. Fazit: Sehr empfehlenswerte Lesung für
alle, denen es an Zeit zum Selberlesen
mangelt - ungemein spannend, fesselnd, kurzweilig - für mich einer der
besten
Romane des Jahres 2018 Infos und Hörproben gibt es
hier: http://griot-verlag.de/ |