Yann Martel Schiffbruch mit Tiger gelesen von Ilja Richter |
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Inhalt: Kritik: Wer Piscine Molitor Patel benannt wird - nach einem Schwimmbad in Paris -, der kann sich im Laufe seiner Kindheit mit Sicherheit auf eines gefasst machen: den Spott Gleichaltriger. Aber ansonsten hat Pi (auch genannt: 3,14) eine sehr glückliche Kindheit vorzuweisen - und aufregender als die seiner Klassenkameraden ist sie auch noch, denn seinen Eltern gehört der Zoo in Pondicherry. Zudem entdeckt Pi zum Staunen seiner unreligiös lebenden Eltern in diesen Jahren die Religion. Er wird zuerst eifriger Hindu, dann gläubiger Christ und letztlich auch noch bekennender Moslem, und so sehr ihn seine Eltern auch davon zu überzeugen versuchen, dass er unmöglich allen drei Religionen anhängen kann, er lässt sich nicht umstimmen. Denn für Piscine Molitor Patel ist es kein Widerspruch, hat doch jede der Religionen nur das Ziel, dasselbe Göttliche zu betrachten. Aber die politischen Umstände setzen der glücklichen Zeit in Pondicherry ein jähes Ende, als sich Pis Eltern Ende der Siebzigerjahre entscheiden, Indien für immer den Rücken zu kehren und mit Sack und Pack nach Kanada auszuwandern. Da ist Pi sechzehn. Die Tiere werden verkauft, der Zoo wird aufgelöst, und ein Teil des Zoobestands kommt mit auf den alten, rostigen Frachter, der die Martels nach Amerika bringen soll. Aber die Reise steht unter keinem guten Stern. Eines Nachts wacht Pi auf, weil er ungewöhnliche Geräusche hört. Er geht an Deck um nachzusehen, was passiert ist. Dann geht alles sehr schnell: Matrosen werfen ihn in ein Rettungsboot - und dann sinkt tatsächlich das Schiff. Der junge Pi findet sich als einzig menschlicher Überlebender auf dem Pazifik wieder - gemeinsam mit einem schwer verletzten Zebra, einer Orang-Utan-Dame namens Orangina, einer mordlüsternen Tüpfelhyäne und Richard Parker, einem ausgewachsenen bengalischen Tiger. Keine alltägliche Situation. Nicht einmal für einen "tiererprobten" Jungen wie Pi. Und was geschehen muss geschieht: Erst reißt die Hyäne das Zebra, dann den seekranken Affen. Richard Parker, der sich auch nicht besonders wohl fühlt in der schlingernden, schwimmenden Nussschale, sieht lange zu, bevor er ins Geschehen eingreift. Das Ende der Tüpfelhyäne ist die Folge. Das Platzangebot im Boot hat sich nun zwar merklich vergrößert, aber es ist gleichzeitig auch sehr eng für Pi Patel geworden, der alleine mit Richard Parker im acht Meter langen Rettungsboot sitzt und sich fragt, wie lange das wohl gut geht... Was dann geschieht, ist der wahrhaft wundersame Teil der Geschichte. Denn die beiden treiben wochen-, ja monatelang auf dem Pazifik, wo sie furchtbare Strapazen erdulden müssen, von Hunger über Durst, vom rasch umschlagenden Wetter über die Revierkämpfe, die Pi mit dem riesigen bengalischen Tiger auszufechten hat bis hin zu Pis erzwungener Entwicklung vom Vegetarier zum Fleischesser. 227 Tage treiben sie in ihrem Rettungsboot auf dem Ozean und erleben dabei so allerlei, vom irrwitzigen Treffen mit einem anderen Schiffbrüchigen über den Besuch einer schwimmenden gefährlichen Insel, der Pi und Richard Parker gerade noch heil entkommen können, bis hin zu ... aber halt. Genug vom Inhalt. Eine haarsträubende Geschichte? - Eine haarsträubende Geschichte, in der Tat! Aber sehr beeindruckend erzählt. Yann Martel ist ein begnadeter Geschichtenerzähler, und die immerhin über 8,5 Stunden lange Lesung ist zu jeder Sekunde spannend und lässt den Hörer nicht mehr los. Eine begnadete Geschichte verdient auch einen begnadeten Sprecher, und den hat sie glücklicherweise bekommen: Ilja Richter macht aus "Schiffbruch mit Tiger" einen wahrhaften Ohrenschmaus. Sprachlos vor Staunen hängt man an seinen Lippen und fragt sich ein ums andere Mal, wer in aller Welt dieses Buch wohl auch nur annähernd so gut interpretiert hätte wie er. Er leidet, philosophiert und jubelt sich so eindringlich durch die Geschichte, dass man einfach keine Pause einlegen mag. Die Lesung ist auf sieben randvollen CDs untergebracht, welche in einer schicken Pappbox mit begleitendem Booklet liegen. Fazit: Haarsträubend, unglaublich, faszinierend
- eine Geschichte, die prall gefüllt ist mit buntem Leben und skurillen
Einfällen. Wer nicht so recht glauben mag, dass es möglich ist,
mit einem riesigen wilden bengalischen Tiger monatelang in einer Nussschale
auf dem Pazifik zu überleben, für den gibt es am Ende noch eine
Überraschung... |