Sprecher:
Edgar Allan Poe - Ulrich Pleitgen
Berenike - Viola Morlinghaus
Dr. Tempelton - Till Hagen
Abt - Joachim Kerzel
Amontillado - Klaus Jepsen
sowie: Michael Arnold, André Sander, Frank Briegel, Peter Groeger,
Penny Shepherd und Heinz Rudolf Kunze
Covertext:
Der erste Name, der dem Mann ohne Identität und Gedächtnis einfällt,
ist Edgar Allan Poe. Aus seinem Unterbewusstsein steigen schaurige Dinge
auf. Plötzlich findet er sich in einem Kloster wieder. Was ist geschehen?
Woher kommen die geheimnisvollen Seufzer im Klostergarten? Als das Brunnenwasser
eines Nachts voller Blut ist, flieht er. Doch er verlässt das Kloster
ausgerechnet um Mitternacht. Seine nächste Wahrnehmung sind eine
Grube und ein Pendel...
Kritik:
Zum Inhalt:
Die neue Hörspielserie um Geschichten von Edgar Allan Poe, die im
Lübbe Audio Verlag mit vorerst vier Folgen erschienen ist, spielt
in ihrer Handlung auf zwei Ebenen. Es gibt eine Rahmenhandlung, in der
es um einen Mann mit Gedächtnisverlust geht, der sich Edgar Allan
Poe nennt. Dieser Mann versucht mit Hilfe eines Arztes in einer Irrenanstalt,
in die er vor zwei Jahren eingeliefert wurde, und mit Hilfe seiner Alpträume,
die ihn immer wieder überfallen, das Geheimnis um seine eigene Identität
zu lüften. Zugleich ist der träumende Poe in den einzelnen Hörspielen
der Serie auch immer die Hauptperson einer in sich abgeschlossenen Geschichte,
die in diese Rahmenhandlung eingebettet ist.
Die Rahmenhandlung hat zwar direkt nichts mit den Geschichten von Edgar
Allan Poe zu tun, die hier erzählt werden, verquickt aber geschickt
die beiden Ebenen, mit denen die neue Serie gekonnt spielt:
In Folge 1, 'Die Grube und das Pendel', träumt
der seit einem Unfall im Irrenhaus einsitzende Poe von einem Mann, der
eines Nachts aus einem Alptraum erwacht und sich in einem alten Kloster
zur Zeit der napoleonischen Kriege wiederfindet. Genau wie er selbst leidet
dieser Mann unter Identitätsverlust, und weiß nicht, wie oder
wann er in das Kloster gelangt ist. Die Mönche im Kloster und Schwester
Berenike, die er dort kennen lernt, erzählen ihm unterschiedliche
Geschichten über seine Ankunft in den Klostermauern. Er ist verwirrt,
erinnert sich aber weiterhin an nichts. Fakt ist, er fühlt sich krank,
und der Bruder Abt versucht ihn zu überzeugen, noch eine Weile Gast
des Klosters zu bleiben. Doch was hat es mit den schrecklichen Schreien
auf sich, die er zu hören glaubt? Warum ist das Brunnenwasser eines
Nachts blutrot? Und was hat es mit der verstümmelten Hand im Klostergarten
auf sich? Durch all diese bedrohlichen Vorkommnisse alarmiert, versucht
er aus dem Kloster zu fliehen, aber es ist zu spät, und plötzlich
findet er sich in einem Realität gewordenen Alptraum wieder, der
selbst seine allerschrecklichsten Nacht-Alpträume in den Schatten
stellt...
Was Lübbe Audio dem Hörer hier präsentiert, ist eine atmosphärisch
unglaublich dichte Hörspielfassung der Geschichte von E. A. Poe,
wie es sie in dieser Qualität bisher noch nicht zu hören gab:
Die Produktion aus dem Hause STIL, das mit seinem Kreativduo Christian
Hagitte und Simon Bertling schon viele ähnlich gute Hörspiele,
vor allem einige Mankell-Roman-Umsetzungen (wie z.B. 'Der Mann, der lächelte')
zustande gebracht hat, zeichnet auch in den Poe-Produktionen verantwortlich
für Regie, Musik und Ton. Was Hagitte und Bertling hier für
eine hervorragende Arbeit geleistet haben, ist schon bewundernswert, und
das Dream-Team setzt den sehr guten Mankell-Produktionen mit dieser Serie
noch eins drauf.
Vor allem die Musik und die in Folge 1 perfekt gesetzten Geräusche
werden zu einer Kulisse verwoben, die tief unter die Haut geht. Mit Hilfe
von gregorianischen Chören, Orgelsequenzen und großer Orchestermusik
wird eine Atmosphäre erschaffen, die gleichermaßen bedrohlich,
unheimlich, bedrückend und düster ist und dem verstörenden
Wahnsinn unglaublich nahe kommt, den Poes Geschichten so exzellent zu
beschreiben wissen.
Zu der tollen Musik kommen hervorragende Sprecherleistungen:
Ulrich Pleitgen in seiner Rolle als erzählender Edgar Allan Poe und
gleichzeitiger Hauptperson der Geschichte spielt meisterlich! Ebenso gut
sind seine Mitstreiter(innen) Viola Morlinghaus als Schwester Berenike,
Klaus Jepsen als Bruder Amontillado und Joachim Kerzel als Bruder Abt.
Hier fällt keiner aus dem Rahmen, und so kommt es, dass einen die
Atmosphäre von der ersten bis zur letzten Minute derartig gefangen
nimmt, dass man - am Ende der CD angekommen - beinahe erleichtert, aber
doch erstaunt dem hinten (!) angefügten Titellied 'Der weiße
Rabe' von Heinz Rudolf Kunze lauscht, das sozusagen als Abspann den Übergang
in die Realität erleichtert, die man während der vergangenen
59 Minuten völlig verloren glaubte... Ich bin und war zwar nie ein
Fan der Musik von Kunze, aber das Lied passt hervorragend zur Serie, und
spätestens seit Folge 2 habe ich mich - im positiven Sinne - daran
gewöhnt. Es ist eine gute Idee, die Musik zur Serie einmal ans Ende
zu setzen.
Auf dem Cover findet sich eine düster wirkende
Landschaftsfotografie, die sich mit den Fotos im Inneren und auf der Rückseite
zu einer passenden, stimmungsvollen Fotoserie verbindet. Auch hier wird
beklemmende Atmosphäre verbreitet. Selbst in der Schriftart, die
auf dem Cover verwendet wird, setzt sich die verstörende Atmosphäre
fort... klasse durchdacht!
Fazit:
Ein gelungener Auftakt zur neuen Serie um Geschichten
von Edgar Allan Poe, die gekonnt mit zwei Handlungsebenen spielt. Hier
stimmt alles, von der Story über die Sprecher bis zur Musik - endlich
einmal eine atmosphärisch dichte Horror-Hörspiel-Serie mit Niveau
für Erwachsene! |