Tontechnik: Emanuel Hauptmann
Layout: Alice Kaiser
Gestaltung: Julian Joyce
Produktion und Regie: Holger Michel
Covertext:
38 Gedichte von Achim von Arnim, Barthold Heinrich Brockes, Matthias Claudius,
Annette von Droste-Hülshoff, Joseph Freiherr von Eichendorff, Johann
Wilhelm Ludwig Gleim, Johann Wolfgang von Goethe, Andreas Gryphius, Johann
Christian Günther, Friedrich Hebbel, Heinrich Heine, Georg Herwegh,
Friedrich Hölderlin, Johann Georg Jacobi, Gottfried Keller, Nikolaus
Lenau, Christian Morgenstern, Rainer Maria Rilke, Friedrich Rückert
und Theodor Storm
Die Anthologie 'Mond und Sterne' ist eine lyrische Zeitreise
durch die Jahrhunderte, von Rezitator Joachim Kerzel meisterhaft vorgetragen.
Kritik:
Das neue Label 'Pangea Productions' bringt mit seinem
Erstling ein eher ungewöhnliches Projekt auf den Hörbuchmarkt:
eine Sammlung von Gedichten rund um das Thema 'Mond und Sterne'.
Man hat sich Zeit gelassen für diese erste Produktion, und das Ergebnis
kann sich hören und auch sehen lassen: Joachim Kerzel konnte als
Sprecher gewonnen werden, und der Mann ist nicht ohne Grund gefragt im
ganzen Land. Als einer der Großen seiner Zunft beweist er auch auf
dem Sektor der Rezitation, dass sein Name alleine schon ein Garant für
Hörgenuss ist.
Egal ob er Goethe, Morgenstern oder Eichendorff liest, seine Stimme und
sein Vortrag sind immer eindringlich, aber niemals aufdringlich, und seine
Interpretationen reichen von getragen bis flott, von gehauchtem Flüstern
bis zu donnernder Präsenz. Die Leichtigkeit, mit der die Gedichte
ans Ohr dringen, lässt beim Hören stille Freude aufkommen, denn
wer schon einmal selbst versucht hat, ein Gedicht vorzutragen, der weiß,
wie schwierig dies wirklich ist: jede kleinste Nuance verändert den
Ausdruck, und den richtigen Ton zu treffen, ist wohl nirgends so schwierig
wie in der Welt der Lyrik...
Kerzel, dessen Stimme dem Hörspielliebhaber wohl bekannt ist, wird
meist in einem Atemzug genannt mit den John-Sinclair-Hörspielen,
und so ist man anfangs ein paar wenige Sekunden irritiert, ihn 'Der Mond
ist aufgegangen' deklamieren zu hören... Doch die Verwirrung hält
nicht lange an. Ihn einmal mit einer solch 'anderen' Aufgabe zu betrauen,
war eine gute Wahl von Holger Michel, und man hört auch Joachim Kerzel
an, dass ihm diese Arbeit Spaß gemacht hat.
Die Auswahl der Gedichte ist gelungen und breit gefächert,
und so hört man neben den bekannteren Werken von Matthias Claudius,
Joseph Freiherr von Eichendorff und Rainer Maria Rilke auch weniger bekannte
Verse, wie zum Beispiel die 'Kirschblüte bei der Nacht' von Barthold
Heinrich Brockes. Es gibt viele schöne Gedichte zu entdecken und
wieder zu entdecken, und beim Hören erwacht der Wunsch, sich endlich
wieder einmal mehr Zeit zu nehmen für die schönen Dinge des
Lebens, die allzu oft auf der Strecke bleiben...
Klar, dass man bei einer Auswahl von 38 Gedichten auch gleich ein paar
heimliche Highlights für sich entdeckt: in dieser Sammlung sind das
für mich 'Die Nachtigall' von Theodor Storm, 'Kirschblüte bei
der Nacht' von Barthold Heinrich Brockes und 'Der Morgen' sowie das brillant
vorgetragene 'Die Nacht' von Joseph Freiherr von Eichendorff... aber letztendlich
ist das wirklich nur Geschmackssache, denn schön sind sie alle.
Das Hörbuch ist eine reine Lesung ohne Musik, Effekte
oder Geräusche - ich habe einige Zeit überlegt, ob es mir noch
besser gefallen hätte mit einigen kleinen Zwischenmusiken oder eventuell
mit einem zweiten Sprecher (spontan fällt mir da als weibliche Gegenstimme
zu Kerzel Anja Buczkowski ein) - aber eigentlich ist es so, wie es jetzt
ist, tadel- und makellos.
Ein paar kurze Worte noch zur Präsentation: Die
Gestaltung des Hörbuchs ist sehr gelungen, vom Titelbild (ein Ausschnitt
aus 'Caféterrasse bei Nacht' von Vincent van Gogh) über die
Farbgebung bis zur Trackliste.
Fazit:
Lyrik fürs Ohr? Die skeptische Frage löst
sich nach Sekunden des Hörens in Wohlgefallen auf: Das Hörbuch
ist toll geworden, und wer Gedichte liebt, der kann sich mit 'Mond und
Sterne' ein schönes Geschenk machen.
Am liebsten würde man das Hörbuch an einem lauen Sommerabend
auf der Terrasse hören, aber dieser Wunsch bleibt wohl noch ein paar
Monate Vater des Gedankens... |