David Mitchell Der Wolkenatlas Hörbuch |
|
Inhalt: Kritik: Mit der ungekürzten Lesung des "Wolkenatlas" von David Mitchell macht der Kuebler Hoerbuch Verlag auf sich aufmerksam. Man hat dem faszinierenden Roman gleich drei Sprecher mit auf den Weg gegeben, die den Hörer auf dem Weg durch gänzlich unterschiedliche Zeiten und an unterschiedliche Orte begleiten und - dadurch bedingt - auch mit verschiedenen Figuren konfrontieren, die zwar nicht miteinander agieren, aber deren Leben dennoch durch vielfältige Details miteinander verknüpft sind. Was Autor David Mitchell hier vorlegt, ist ein großes Stück Literatur: verblüffend in Aufbau und Thematik, erzählt er eine Geschichte, die ineinander verschachtelt ist und die Menschheitsgeschichte ein großes Stück weit aufrollt. Beinahe 1000 Jahre umspannt das Werk, das zwar aus sechs scheinbar völlig unabhängigen Einzelromanen besteht, aber dennoch ein großes, kunstvoll verwobenes Ganzes bildet. Ausgangspunkt ist "Das Pazifiktagebuch des Adam
Ewing", das im Stile eines Tagebuchs in den 1850ern spielt, weiter
gehts über die "Briefe aus Zedelhem", einen Briefzyklus
von 1931, anschließend folgt "Halbwertszeiten - Luisa Reys
ersten Fall", ein Kriminalroman mit Thrillerelementen, der im Jahre
1975 spielt, und daran anschließend das nächste Kapitel, "Das
grausige Martyrium des Timothy Cavendish", das ohne genauere Zeitangaben
in der Gegenwart spielt und in Form von Memoiren abgefasst ist. Dann schlägt
das atemberaubende Werk einen Bogen ins Futuristische: Da alle Kapitel - bis auf "Sloosha's Crossing" nur ungefähr bis zur Hälfte erzählt und dann von der nächste Geschichte abrupt unterbrochen werden, geht es in der zweiten Hälfte des Romans wieder retour durch die Zeit, wo alle Einzelgeschichten ihren Abschluss finden - bis hin zum "Pazifiktagebuch des Adam Ewing", das den Reigen als erste Geschichte begann und auch als letzte wieder beschließt. Es gibt zahlreiche verbindende Details in diesem großen Opus zu entdecken, die faszinieren und die einzelnen Geschichten immer wieder einbinden in den großen, übergreifenden Kosmos des Romans: da gibt es zum Beispiel ein Muttermal in Form eines Kometen, das immer wieder durch die Zeiten bei verschiedenen weiblichen Trägern auftaucht, und von denen sich manche sogar an die Erlebnisse ihrer "Vorgängerin" zu erinnern scheinen oder ein "Déja vu" erleben. Der Begriff "Atlas der Wolken" wird von zwei Protagonisten unabhängig verwendet, auch Frobishers eigene Komposition, das "Wolkenatlas-Sextett", taucht in einer anderen Geschichte wieder auf - zudem befinden sich alle Hauptfiguren in einer Zeit großer Gefahr, werden teilweise gefangen genommen oder in anderer Weise ihrer Freiheit beraubt. Das Werk ist voller solcher Verknüpfungen, die man nach und nach wie ein Kriminologe findet und miteinander in Verbindung bringt. Die Einzelgeschichten sind überdies alle sehr engmaschig miteinander verwoben: So findet etwa Frobisher das Tagebuch Ewings, Luisa Rey erhält Frobishers Briefe durch seinen Freund Sixsmith, Cavendish liest Luisa Reys Roman, Sonmi 451 sieht die Verfilmung von Cavendishs Odyssee, oder Zachary hält den Orator in Händen, der Sonmis Protokoll aufgezeichnet hat. David Mitchell hat sogar Querverbindungen zu anderen seiner Romane eingefügt - vor allem zu seinem Debutwerk "Chaos". Es ist verblüffend, wie viele dieser Verbindungen es gibt! Für das Verständnis des "Wolkenatlas" sind diese allerdings nicht relevant, und man kann sich ganz auf das vorliegende Hörbuch konzentrieren, ohne die anderen Bücher Mitchells kennen zu müssen. Die große Botschaft des "Wolkenatlas" schält sich beim Hören immer mehr aus dem Werk heraus, und David Mitchell bringt es selbst auf den Punkt: "Die Seelen wandern über die Zeit wie die Wolken über den Himmel". Es geht um Reinkarnation, und der Roman verfolgt die Wege dieser Seelen über einen fast 1000 Jahre umspannenden Zeitbogen. Darüber hinaus geht es um Moral und Verantwortung, um Ausbeutung, Sklaventum, Machtmissbrauch und ihre Auswirkungen von einer Generation auf die nächste. David Mitchell sieht hier jeden Einzelnen in der Verantwortung, wenn er darauf hinweist, dass zwar jeder Mensch nur ein Tropfen in einem riesigen Ozean sei, aber jeder Ozean sich schließlich und endlich nur aus diesen einzelnen Tropfen zusammensetzt. Drei Sprecher lesen sich durch den Roman: Johannes Steck, Carin C. Tietze und Stefan Wilkening, wobei Johannes Steck den Löwenanteil spricht und seine Sache absolut grandios macht. Er gehört mit Abstand zu den allerbesten der vielen hervorragenden Hörbuchsprecher Deutschlands. Vor allem seine Darbietung in "Sloosha's Crossin' un wies weiterging" bleibt einem noch lange im Ohr, und die Stimmenvielfalt von Johannes Steck sorgt für viele Stunden Hörgenuss, der nicht besser hätte ausfallen können. Steck liest die Kapitel "Das Pazifiktagebuch des Adam Ewing", "Briefe aus Zedelghem", "Halbwertszeiten", "Sloosha's Crossing" und in Teilen auch "Somnis Oratio", das allerdings überwiegend von Carin C. Tietze vorgetragen wird. Stefan Wilkening liest "Das grausige Maryrium des Timothy Cavendish". Alle drei machen einen rundum guten Job und entführen den Hörer mit Leichtigkeit in die faszinierenden Welten des David Mitchell. Einziger kleiner Wermutstropfen in der 17 Audio-CD starken ungekürzten Lesung ist ein Fehler auf CD 2. Das Ende von Track 5 bricht leider mitten im Satz ab. Der Kuebler Verlag bietet die Lesung zum einen als Audio-CD-Lesung,
zum anderen aber auch als platzsparende MP3-CD-Variante an - eine gute
Sache, dass man dem Hörer die Wahl lässt. Ein vierseitiges Booklet
begleitet das Hörbuch, das die üblichen Produktionsdaten sowie
ein kleines Inhaltsverzeichnis und Angaben zum Autor bereit hält. Fazit: "Der Wolkenatls" ist ein faszinierender Streifzug
durch die menschliche Geschichte - eigentlich präsentiert David Mitchell
hier gleich sechs in Stil und Inhalt völlig unabhängige Romane,
die er jedoch mehr als kunstvoll miteinander verwebt und verknüpft:
grandioses Werk in ebenso grandioser Lesung - Hörtipp! Weitere Infos und Hörproben: http://www.kueblerverlag.de/ |