Karl May

Der Orientzyklus

Hörspiel in 12 Teilen
ca. 648 Minuten
Produktion: WDR 2007
Der Hörverlag
12 CDs; ISBN 978-3-86717-445-9; Euro 34,95

Regie: Walter Adler
Musik: Pierre Oser

Sprecher:
Karl May/Kara Ben Nemsi: Sylvester Groth
Hadschi Halef Omar: Matthias Koeberlin
Sir David Lindsay: Rufus Beck
Horst Bollmann, Horst Sachtleben, Hans Peter Hallwachs, Ingrid Andree, Ernst Jacobi, Dietmar Mues, Matthias Habich, Ulrich Matthes, Michael Habeck, Felix von Manteuffel, Florian von Manteuffel, Michael Mendl, Richy Müller, Winfried Glatzeder, Udo Schenk, Traugott Buhre, Volker Lechtenbrink, Werner Wölbern, Peter Harting, Hüseyin Michael Cirpici, Götz Schulte, Camilla Renschke, Götz Argus, Andreas Grötzinger, Andreas Grothgar, Renan Demirkan, Christian Redl, Fanny Thevissen, Wolfgang Rüter, Kerstin Thielemann, Udo Kroschwald, Thomas Thieme, Volkert Kraeft, Jürg Löw, Navid Akhavan, Josef Tratnik, Hansjoachim Krietsch u.v.a.

Inhalt:
Karl May in 140 Stimmen
Wer Kara Ben Nemsi, Hadschi Halef Omar und Sir David Lindsay leibhaftig bei ihren Abenteuern zwischen Algerien und Istanbul erleben möchte, der muss mit dieser originalgetreuen, effektvollen Hörspielinszenierung in den Orient abtauchen. Fast 140 Sprecher, dazu eine aufwendige Geräuschkulisse sowie die stimmungsvoll orchestrierte Musik von Pierre Oser garantieren elf Stunden packende Unterhaltung. Der Orientzyklus umfasst die Bände Durch die Wüste, Durchs wilde Kurdistan, Von Bagdad nach Stambul, In den Schluchten des Balkan, Durch das Land der Skipetaren, Der Schut.

Kritik:

Wer kennt sie nicht, die sechs Orient-Bände um Kara Ben Nemsi und seinen getreuen Hadschi Halef Omar?! Spannende Unterhaltung, Abenteuer, Geschichten um kleine und große Schlitzohren, Schurken, edle Pferde, schöne Frauen, Entführungen, Morde und Intrigen - all das und noch viel mehr hat Deutschlands Hörspielregisseur Nr. 1, Walter Adler, in dieses fast zwölfstündige - sehr werkgetreue - Hörspiel hineingepackt.

Dabei werden die sechs Bände des Orientzyklus' in eine Rahmenhandlung eingebettet, die Karl Mays ärmliches, von Gefängnisaufenthalten geprägtes Leben anreißt und anhand einer Gerichtsverhandlung nachzeichnet. Jede der zwölf Folgen beginnt mit dieser Rahmenhandlung, und man erfährt, dass May, das "asoziale Subjekt", ein Gauner und Betrüger war, ein Hochstapler und Dieb, der mit allen Wassern gewaschen war - freilich jedoch ein ums andere Mal im Gefängnis landete. Dort begann er auch seine schriftstellerische Laufbahn, die ihn langsam aber sicher aus der Armut herausführte. Mays Erfindungsreichtum und seine rednerische Gabe, sich aus jeder noch so bizarren Situation herauszuwinden, finden mit seiner Schriftstellerei endlich das richtige Ventil.

Man kann nicht umhin, den Orientzyklus mit all diesen Informationen "bewaffnet" mit anderen Ohren zu hören: Wenn Halef mit seiner Nilpferdpeitsche Bösewichter auspeitscht und man weiß, dass auch Karl May Peitschenhiebe für seine eigenen Missetaten bekam, dann haben diese Bestrafungsszenen schon einen ganz anderen Charakter. Und wenn man weiß, dass May selbst ein Gauner, Dieb und Hochstapler war, dann bekommen gewisse Hörspielszenen, in denen Kara Ben Nemsi solche Gauner verurteilt, auch ein anderes Gesicht...

Ca. 140 Schauspieler wählte Walter Adler für sein opulentes Hörwerk aus, und der Cast liest sich wie die Crème de la Crème der deutschen Sprecher: Neben Sylvester Groth, der die Hauptrolle und gleichfalls einen riesigen Erzählpart übernimmt, glänzen vor allem Matthias Koeberlin als Halef und Rufus Beck als David Lindsay. Doch jede - noch so kleine - Rolle wurde glänzend besetzt: Horst Bollmann, Horst Sachtleben, Hans Peter Hallwachs, Ingrid Andree, Ernst Jacobi, Dietmar Mues, Matthias Habich, Ulrich Matthes, Michael Habeck, Felix von Manteuffel sind nur einige der hochkarätigen Sprecher, die dieses Hörspiel bevölkern und so lebendig machen.

Absolut überragend agiert Matthias Koeberlin, der einen Halef gibt, der sich gewaschen hat: nie war Hadschi Halef Omar sympathischer, nie redseliger, nie anrührender, nie aufopferungsvoller - ein großes Bravo für diese Leistung! Auch Rufus Beck präsentiert sich prächtig, und man hat den langen abenteuerlustigen Engländer geradezu vor Augen, in den er sich mit Leichtigkeit hineinlebt.
Sylvester Groth hat die wohl schwerste und größte Rolle zu bewältigen, er spielt den Karl May in der Rahmenhandlung und natürlich auch den Kara Ben Nemsi. Doch dazu muss er noch einen atemlosen Erzählpart vortragen, der ihm alles abverlangt und auch den Hörer stark fordert. Und gerade dieser übergroße Erzählanteil ist auch der einzige Kritikpunkt an dieser großartigen Produktion: zwar wird er teilweise durch Geräusche und Effekte kaschiert und überlagert, so dass auch diese erzählten Passagen geschickt ins Hörspiel integriert wirken, aber trotzdem ist der Erzähleranteil für meinen Geschmack zu groß geraten.

Viele Überblendungen machen das Hörspiel zu einem echten "Earcatcher", den man auch gerne ein zweites Mal hört. Überhaupt ist die Geräuschkulisse gewaltig gut - hier wurde an nichts gespart, und das hört man. Viele Effekte erzeugen im Zusammenspiel mit der Musik einen großartigen Klangteppich, der einen in den Orient entführt.

Wie üblich hat Walter Adler auch diesmal wieder Pierre Oser für die Musik an Bord geholt - eine Zusammenarbeit, die sich auszahlt: Pierre Osers Kompositionen wirken nie aufdringlich, spielen sich nie in den Vordergrund, sind aber immer präsent und fügen sich gut ins Geschehen ein. Große Klasse.

Trotz 648 Minuten Spielzeit kam der Orientzyklus leider nicht um Kürzungen herum, und so muss auf einige spannende Szenen verzichtet werden (etwa Halefs Gefangennahme), aber glücklicherweise auch auf viele ausufernde religiöse Buchbestandteile, die dem Hörspiel wirklich nicht fehlen.

Leider hat Walter Adler nach eigenem Bekunden kein Interesse daran, noch weitere Werke von Karl May zu vertonen. Schade!

Fazit:

Der Orientzyklus: ein gigantisches Karl-May-Spektakel, wuchtig und prall in Szene gesetzt - Hörtipp!



Weitere Infos: http://www.hoerverlag.de - hier gibt es auch Hörproben!