Daniel Kehlmann

Die Vermessung der Welt

Hörspiel
ca. 184 Minuten
Deutsche Grammophon Literatur
3-CD-Box; ISBN: 978-3-8291-1761-6; Euro 19,99

Inhalt:
Im Jahre 1799 begibt sich Alexander von Humboldt (1769-1859) zusammen mit seinem Gefährten Aimé Bonpland auf eine fünfjährige Forschungsreise nach Mittel- und Südamerika. Er will die unbekannte Welt vermessen und erforschen, sammelt Pflanzen, Tiere, zählt die Läuse auf den Köpfen Einheimischer und erforscht Vulkane.
Der Mathematiker, Astronom, Geodät und Physiker Carl Friedrich Gauß (1777-1855) bleibt zu Hause. In seinem Zimmer beobachtet er Planeten, denkt und rechnet und ärgert sich über seinen unbegabten Sohn Eugen. Im September 1828 ist Gauß gezwungen, zum erstenmal seit Jahren seine Heimatstadt Göttingen zu verlassen, um am Deutschen Naturforscherkongress in Berlin teilzunehmen. Er soll dort Alexander von Humboldt treffen. So kreuzen sich die Lebenswege zweier Genies, die beide die Welt vermessen haben - jeder auf seine Weise: der eine empirisch, der andere kraft seiner Ratio.

Kritik:

Wer neugierig ist auf die spannende Zeit der großen Entdecker rund um das Jahr 1800, dem sei das Hörspiel "Die Vermessung der Welt" wärmstens ans Herz gelegt: Erzählt wird die hochinteressante Geschichte aus der Perspektive der zwei "Nicht-Berühmtheiten" und Begleiter der beiden Gelehrten Alexander von Humboldt und Carl Friedrich Gauß, die dem Hörer vor allem einen Blick auf die privaten Schrullen und Macken der beiden berühmten Genies ihrer Zeit gewähren, was auch den großen Reiz dieser Geschichte ausmacht. Dass Gauß ein genialer Mathematiker war, ist jedem klar, und dass Humboldt Südamerika bereiste, wohl auch. Doch gerade die persönlichen Unzulänglichkeiten, die Autor Daniel Kehlmann in seinem Buch beschreibt, machen die beiden großen Männer so interessant, dass man das Hörspiel nicht auf die Seite legen kann, bis man am Schluss angelangt ist. Gauß scheint schon ein recht kauziger Typ gewesen zu sein, der auf seinem Gebiet so abgehoben und perfekt war, wie er in anderen Angelegenheiten närrisch und vollkommen deplatziert wirkte. Und Humboldt, der mit seinem Kameraden Aimé Bonpland auf Entdeckungsreisen ging, heimste ungeniert den ganzen Ruhm für Taten ein, die er wohl niemals allein hätte vollbringen können...

Besonders angetan haben es mir die Erzählungen aus Amerika. Mit viel Dramatik und Witz, dabei äußerst fesselnd beschreibt das Hörspiel die Besteigung der hohen Kordilleren-Berge, wo Humboldt und Bonpland nur knapp dem Tode entgehen. Was sie hier erleben, ist so plastisch umgesetzt, dass man schon beinahe meint, an den wirren Halluzinationen der Forscher teilzunehmen und mit ihnen am seidenen Faden zu hängen - phantastisch und packend gemacht. Überhaupt ist das Hörspiel unter der Regie von Alexander Schumacher sehr schön in Szene gesetzt. Immer wieder wird aus der Perspektive der beiden "unbedeutenden Zuschauer" auf die wohl ereignisreichste Zeit in ihrem Leben zurückgeblickt und in spannenden Szenen das Leben und Wirken von Humboldt und Gauß nachgezeichnet.

Die Sprecher machen ihre Sache ausgezeichnet, allen voran ein grandioser Jens Wawrczeck als Aimé Bonpland (der mir ohne den französischen Akzent allerdings noch besser gefallen hätte), Patrick Güldenberg als missratener Gauß-Sohn Eugen sowie Michael Rotschopf alias Alexander Humboldt und Udo Schenk alias Gauß. Auch der Rest der großen Sprecherriege überzeugt und wartet mit großen Namen auf: Rolf Becker, Hedi Kriegeskotte, Dietmar Mues, Traugott Buhre, um nur einige wenige zu nennen, machen den Hörspaß durch ihr großes Engagement komplett. Durch die vielen Rollen, die zu besetzen waren, haben die rund 40 Sprecher fast alle mehrere Parts übernommen, was aber durch die geringen Sprechanteile meist nicht größer auffällt.

Die Kompositionen von Claudio Puntin, der selbst auch Klarinetten und andere Instrumente spielt und von weiteren Musikern und einer Sängerin untestützt wird, gefällt und passt hervorragend zum Hörspiel.

Das Hörspiel des NDR, das im Programm der Deutschen Grammophon Literatur erschienen ist, ist mit 6-8 Tracks pro CD ausgestattet, und beinhaltet ein klassisches achtseitiges Booklet, in dem eine komplette Sprecherliste, Informationen zu Regisseur, Komponist und Autor zu finden sind. Ich persönlich hätte mir noch eine Karte der damaligen Welt gewünscht, die die Reisen Humboldts in groben Zügen hätte aufzeigen können.

Fazit:

Das Treffen mit dem Naturforscher Alexander von Humboldt und dem kauzigen Mathematiker und Astronomen Carl Friedrich Gauß macht Spaß und vermittelt einen schönen Einblick in die spannende Entdecker-Welt rund um die damalige Jahrhundertwende: Das Jahr 1799 wird in dem NDR-Hörspiel lebendig, und neben Goethe, Kant und Jefferson trifft man auf so bekannte Namen wie die der Gebrüder Montgolfier und Daguerre - hochinteressant und hörenswert!

Weitere Infos und Hörproben: http://www.dg-literatur.de