Leon de Winter Leo Kaplan Hörspiel |
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Regie: Leonhard Koppelmann Inhalt:
Die Ehe ist ein Trapezakt: Man muss festhalten und loslassen können - und auch andere Begegnungen in der Luft zulassen - wichtig ist nur, dass man am Ende wieder gemeinsam auf der Erde landet. Diese Aussage kann als Leitspruch für Leo Kaplans Leben genommen werden - vor allem aber ist es seine Rechtfertigung für die vielen Seitensprünge in seiner Ehe, die letztendlich zum Scheitern derselben führen. Leo Kaplan ist ein Schriftsteller mit Schreibblockade. Um diese zu überwinden, sucht er sein Heil im Ehebruch. Doch je öfter er fremdgeht, desto mehr entschwindet auch seine Kreativität... und gleichfalls auch seine Frau Hannah aus seinem Leben. Kaplan ist ein von Unruhe gepeitschter Charakter, der sich immerfort auf der Flucht oder auf der Suche nach etwas zu befinden scheint. Was dieses "Etwas" allerdings ist, erschließt sich ihm selbst erst nach vielen Jahren - das Leben ist eben ein harter Lernprozess. Erst als Leo zufällig in Kairo seine Jugendliebe wiedersieht, beginnen sich die Dinge für ihn peu à peu zu klären. Bis es allerdings soweit kommt, wird der Hörer Zeuge vieler kleiner und einer großer Geschichte, die teils tragisch, teils komisch, teils bizarr, teil absurd, aber niemals langweilig erzählt werden und sehr komplex zu einem genialen Ganzen zusammengesponnen sind. Da führt die Herkunft eines rosa Tischtuchs zur Biografie seiner Vorbesitzer, oder der Besuch eines Zoos über die Herkunft und Familie eines Gorillas bis hin zur tragischen Eifersuchtsszene unter Menschen. Oder führt eine Mordserie in Italien (die teilweise aus der Sicht eines Hundes erzählt wird) bis in die Innenwelten der Beteiligten - Mörder wie Opfer. Da wird der Besuch eines Straßencafés zur Charakterstudie des Kellners, wie er aber auch gleichzeitig das Leben der Protagonisten vorantreibt - teilweise ziellos, wie es scheint, teilweise jedoch mit bestechender Beharrlichkeit führt Leon de Winter die Hörer auf die Katharsis seiner Hauptdarsteller zu - die von Leo Kaplan und dessen Jugendliebe Ellen. Leon de Winter ist ein großer Fabulierer, ein großartiger Geschichtenerzähler, den zu lesen - und nun auch erstmals zu hören! - sich einfach immer lohnt. Mit seiner Titelfigur Leo Kaplan ist de Winter ein amüsanter, tragikomischer Charakter gelungen, der mit all seinen kleinen und großen Macken, Lebenslügen und Unzulänglichkeiten polarisiert und fasziniert. Ihn und seine Entwicklung durch das gesamte Hörspiel zu begleiten macht einen Heidenspaß. Regisseur Leonhard Koppelmann, dessen Arbeit ich sehr schätze, hat auch mit "Leo Kaplan" wieder ein hochklassiges Hörspiel geschaffen. Wie schon in der Hörspielumsetzung von T.C. Boyles "Wassermusik" (ebenso im Hörverlag erschienen), ist es ihm gut gelungen, die vielschichtige Geschichte in ein Hörspiel aus einem Guss zu verwandeln. Mitverantwortlich für das hervorragende Ergebnis ist Dramaturg Heinz-Dieter Sommer, der es geschafft hat, Leon de Winters ausufernden Erzählstil mit vielen Rückblenden durch zwei Haupt- und einige Neben-Erzähler gut aufzutrennen ohne den Hörer zu verwirren. Leonhard Koppelmann hat - wie immer - ein tolles Feeling für die Besetzung der Rollen: Mit Axel Milberg als Leo Kaplan, Peter Fricke und Hannelore Elsner als Erzählerteam und Stephanie Eidt alias Ellen ist das Hörspiel perfekt besetzt. Hinzu kommen weitere große Namen wie Rosemarie Fendel, Michael Habeck, Jan-Gregor Kremp und - für mich ein kleines Sahnehäubchen - Maria Schrader, die sich in der Hörspielwelt leider viel zu rar macht, und hier eine tolle Vorstellung abliefert. Einziger - winziger - Kritikpunkt ist die stimmliche Verkörperung des jungen, achtzehnjährigen Leo Kaplan: hier passt die Stimme von Milberg einfach nicht richtig zur Figur - sie ist zu reif, die ganze Darstellung des unerfahrenen Jungspunds Kaplan wirkt in diesen Momenten nicht echt. Für die Komposition ist Henrik Albrecht verantwortlich,
der ja fast immer im "Doppelpack" mit Leonhard Koppelmann auftaucht.
Eine kreative Zusammenarbeit, die auch hier wieder zu einem tollen Ergebnis
führt. Albrecht gelingt es ausdrucksstark, die Gefühlswelten
der Charaktere herauszuarbeiten und die vielen verschiedenen Handlungsstränge
und kleinen und großen Szenen musikalisch gut und sauber voneinander
zu trennen, so dass der Hörer sich in dem großen Gebilde aus
vielen kleinen Geschichten jederzeit gut zurechtfindet.
Wer verwobene, mit leichter Hand erzählte Geschichten
im Stile von John Irving mag, der wird auch "Leo Kaplan" lieben.
Weitere Infos: http://www.hoerverlag.de
- hier gibt es auch Hörproben! |