Thomas Bernhard Alte Meister Sprecher: Thomas Holtzmann |
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Kritik: "Alte Meister" ist Thomas Bernhards Komödie aus dem Jahr 1985, ein Roman, wie er typischer nicht sein könnte für den österreichischen Schriftsteller, der zeitlebens provozierte und vor allem in seiner österreichischen Heimat immer wieder heftige Kritik für sein umfangreiches Werk erntete. Die in seinen Büchern beschriebene Abneigung gegenüber Österreich löste regelmäßig heftigste Reaktionen aus, als Vaterlandsverräter und Nestbeschmutzer war Bernhard verschrien. Und doch gehört er zweifelsfrei zu den bedeutendsten deutschsprachigen Autoren des letzten Jahrhunderts. Die eigentliche Handlung des Romans ist recht bescheiden. Schauplatz der Komödie ist vor allem das Kunsthistorische Museum in Wien, genauer: die Bordone-Saal-Sitzbank vor dem Gemälde des weißbärtigen Mannes von Tintoretto. Dort verbringt der lungenkranke, philosophische kritische Kritiker Reger jeden zweiten Vormittag (außer montags) seit 30 Jahren. Dort arbeitet er, schreibt seine Kritiken für die Times - und betrachtet die Gemälde. Sucht nach Fehlern. Und Fehler findet Reger immer und überall. Er erkennt: die "Alten Meister" sind auch nicht perfekt. Wer Bernhard kennt, weiß, was ihn erwartet: Der Roman besteht zu großen Teilen aus Monologen des Einzelgängers Reger, der an fast allem etwas auszusetzen hat und gute Argumente dafür ins Land zu führen weiß. Was Bernhard so besonders macht, ist sein Umgang mit Sprache. Und genau der sorgt wieder einmal dafür, dass auch dieser Roman des großen Österreichers gut unterhält. Wer etwas übrig hat für den eigenwilligen Stil des Autors, findet mit "Alte Meister" meisterliche gallige Unterhaltung. Bernhard ist für seinen Stil, diese unglaublichen verschraubten Satzgefüge, seine gebrochene Erzählweise berühmt. Vor allem seine unnachahmliche Technik der Steigerung, die bemessene Übertreibung, das sich zuspitzende Hineinsteigern in Beschreibungen, die mit immer höherer Schlagzahl und in immer weiteren Wiederholungen endlich in einem - durchweg komischen anzuhörenden - Höhepunkt gipfelt, ist einmalig. Dabei wettert er, ätzt, zieht vom Leder wie kein
Zweiter: gegen Kirche, Staat, Schule, die Kunst im Allgemeinen, gegen
Maler, Schriftsteller und Eltern, gegen Kitsch und Sentimentalität
... Bernhard lässt kein gutes Haar an den Dingen, über die er
sich aufregt. Er ereifert sich bis ins Letzte. So sieht er Adalbert Stifter
als "verkrampften Philister", "stümperhaften, bornierten,
schlampigen oberösterreichischen Blindgänger", der "schriftstellerischen
Müll produziert", "geschmack- und zwecklose Literatur".
Ja, Bernhard polarisiert. Kein Zweifel. Und als Leser beziehungsweise Hörer kann man ihn nur lieben oder hassen. Seine galligen und komischen Ergüsse sind unterhaltsam, aber bei aller Häme und amüsanter Bösartigkeit formuliert Bernhard auch immer wieder brillante kluge Gedanken, die voll ins Schwarze treffen und bleibenden Eindruck hinterlassen. Thomas Holtzmann, vielfach ausgezeichneter Schauspieler
der alten Schule, liest. Oder vielmehr: atmet Bernhard. Ein großartiger
Vortrag, dem man an den Lippen hängen muss. Mit Holtzmann als Sprecher
gewinnt Bernhard noch um ein Vielfaches, er leidet mindestens so sehr
wie Thomas Bernhard seinen Reger leiden lässt. Ein wirklich prächtiger
Vortrag des "alten Hasen", der schon in den Fünfzigerjahren
auf der Bühne stand. Fazit: Thomas Bernhard ist ein Autor
der Extreme. Auch die "Alten Meister" schlagen in seine ewig
währende persönliche Dauerkerbe: sie sind eine Abrechnung mit
der Kunst und einem Menschenschlag, den Bernhard zutiefst verabscheut,
und gleichfalls ein stilistisches Feuerwerk ersten Ranges
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